Das Silvester-Spezial am 31.12.20 ab 18 Uhr live aus Hamburg

War das ein Jahr!? Auch wenn dieses Jahr alles anders ist: WIR SCHICKEN 2020 WEG! Gemeinsam mit Euch. Treffpunkt an der Radiokante: Am 31.12.2020 ab 18 Uhr live auf RADIO fresh80s! Wir möchten ein bißchen ablenken, begleiten, mit Euch Lachen und ein klein wenig Silvester-Feeling aufkommen lassen. Ihr könnt uns während der Sendung anrufen unter: 040 - 70 10 63 86. Euch Eure Lieblings-Titel wünschen und mit uns Plaudern, wie ihr 2020 erlebt und empfunden habt! Wir verlosen viele CD's, kauen Euch gerne ein Öhrchen ab. Das andere braucht ihr ja noch zum Zuhören. Also wir sind da! Ihr auch?

Wir freuen uns auf Euch,

Dani & Oli

Text: © Daniela Herbig Foto: © Oliver Ott

 



Wir sagen Danke und wünschen allen frohe Weihnachten!

Ho Ho Ho... Das Team von RADIO fresh80s wünscht allen Hörern, Freunden und Partnern ein friedliches und besinnliches Weihnachtsfest. In diesem Jahr war vieles anders als erwartet, aber gemeinsam haben wir das Beste daraus gemacht.

DANKE und bleibt gesund!

 


 


 
 


Das Team von RADIO fresh80s sind:
Anett-Jacqueline Strauß, Daniela Herbig, Oliver Ott, Sebastian Böhmer, Andreas Seibert, Eckhard Heuermann, Uwe Großkurth, Jörg Lotze, Henning Halfpap, July Paul, Andreas Viktor, sowie Stefanie & Michael Mihm.



Das Weihnachts-Spezial am 25.12.20 ab 18 Uhr live aus Hamburg

Horch, von Draußen kommen wir her. Aus dem Schnee-Wald, denn es weihnachtet doch sehr. Wir stimmen die Glöckchen. Spielen sie, die vielen Weihnachts-Lieder. Haben Plätzchen im Gepäck. Verschmähen keines des leckeren Gebäcks. Haben uns fein gemacht und ganz viele Leute mitgebracht. Künstler und Kollegen. Niemand war verlegen uns einen kleinen Gruß für Euch zu geben. Und so setzen wir uns alle vor den Kamin und lauschen, was "Die freshen 2" so erzähl'n. Aber psssssst: Der Weihnachtsmann verspricht: Erwarten Sie (wie immer) nichts...

Die 2 Weihnachts-Elch-Rentiere,
Dani & Oli

Text: © Daniela Herbig Foto: © Oliver Ott

 



Neues Album von NENA: Mit viel „Licht“ – „Zurück in die Zukunft“!

5 Jahre sind vergangen als das letzte reguläre Album von Deutschlands Pop-Ikone Nummer 1 erschienen ist. Es trug den schlichten Titel "Oldschool" und klang alles andere als das. Not "Oldschool Like" but "Modern Oldschool". So kurz und knapp könnte man sie wohl kaum treffender beschreiben. Die Musik von NENA. Die mittlerweile 60-jährige Sängerin (60? Niemals!) hat sich in ihrer fast 40-jährigen Karriere immer weiter entwickelt und neu erfunden. Falls man sich überhaupt neu erfinden kann. Vielleicht sind all diese "Neu-Erfindungen" ohnehin nur Teile in einem selbst, zu denen man irgendwann zu einem bestimmten Zeitpunkt den Zugang findet. Zu (fast) allen Facetten des eigenen Seins. Aber das sei nur am Rande angedacht.

Am 16. Oktober 2020 war es nun endlich soweit und das Warten hatte ein langersehntes Ende. "Licht" erblickte das Licht der Welt in den CD-Regalen und auf allen gängigen Downloadportalen. (Natürlich gibt es auch die Vinyl-Ausgabe.) Einen besseren Zeitpunkt hätte dieses Album nicht finden können. Kommt es doch in einer Zeit auf den völlig verunsicherten Musikmarkt geflogen, in der es mehr als nötig zu sein scheint "Licht" zu schicken. Und es kommt in einer Zeit, in der Menschen nur allzu bereitwillig digital und auch sonst aufeinander losgehen. Bist Du nicht meiner Meinung, bist Du nicht mit mir. In dieses grundlegende Lager spaltet sich die Menschheit. Es gibt kein Pardon. Eine andere Meinung als die eigene, kann kaum noch jemand gelten lassen. Nebeneinander zu einer anderen stehen lassen. Wir leben irgendwie in einer "Meinungs-Wegwerf-Gesellschaft". Denn eigentlich zählt die Meinung, egal zu welchem Thema, nichts. Alles driftet auseinander. Spaltet sich. Und dazwischen schleicht sich nun ein musikalisches "Licht" ein. Klein. Gerade geschlüpft. Groß in seiner Aussage.

NENA singt mit ihrer unverkennbaren Stimme und in unverkennbarer NENA-Manier: "Es geht um dich um mich um uns und alle... wir kommen aus der Liebe...". Liebe scheint momentan oft ein Fremdwort geworden zu sein. Wie von einem weit entfernten Planeten. Wort-Verrohung ist der Beginn der tiefergehenden Verhärtung der Herzen und lässt sämtliche Hemmschwellen sinken. So heißt es in "Da Da Dam (Ich Geb Dir Mein Ja): "Jeder redet, keiner sagt was, leere Augen..." Und findet die Antwort in: "...nur die Liebe bricht die Lüge...". Wunderschöne Textzeilen. Der Song ist ohnehin ein Ohrwurm und schafft es, sich schon nach einmaligem Hören so tief im Gedächtnis zu verankern, dass man sich dabei ertappt bei jedem Schritt, den man tut, leise vor sich hin zu singen: "Da Da Dam da da da dam dam...". Aber damit ist es bei weitem nicht getan. Auch die "Karawane" hat solch ein Potenzial. "Die Karawane der Liebe zieht aus in die neue Welt...". Ja, bitte zieh' auch in unsere Welt ein, möchte man beim Mitsingen laut Rufen, fast Schreien!

Der neue Longplayer von NENA, der 11 Titel beinhaltet, hat alles, was ein gutes Album braucht: Tolle, nachdenkliche Texte, die im Herzen berühren. "Modern Oldschool-Musik", die einen umarmt, an die Hand nimmt und tanzen lässt. Eine CD-Empfehlung, nicht nur für NENA-Fans!

Und falls in den Wirren der Zeit auch den ein oder anderen der Mut verlässt: "Jeder Tag ist ein Geschenk, manchmal nicht so hart wie du denkst... Slow-Motion...", heißt es in der dritten Single-Auskopplung "Forelle". Kein Mensch ist angstfrei. Schon gar nicht in einer Zeit, in der nichts sicher zu sein scheint. Wir sind alle verwundbar. Verletzbar. Umso mehr sehnen wir uns nach "Licht". Eines von Aussen hat uns NENA geschenkt, das andere tragen wir in uns. Lassen wir es erstrahlen, denn: "Du und ich wir wandern, und immer geht's irgendwo hin, von einem Ort zum andern, wo wir sein können wer wir sind, wo gerade alles wieder stimmt..."! "Licht" ist da!

Text: Daniela Herbig
Foto: Sarah Rechbauer



Advent, Advent, RADIO fresh80s (b)rennt!“

So ein Jahr ist schnell vorbei, denken sich die vier Adventskerzen. Was sind schon 365 Tage? Okay, bis Advent sind es keine 365 Tage. Also von Advent zu Advent schon, aber... Welcher Advent? Erster, zweiter, dritter, vierter? Doch wehe, wenn das fünfte Lichtlein brennt! Dann sind's mehr als 365 Tage. Und wer will schon das fünfte Lichtlein sein?

Advent, Advent fresh80s (b)rennt!"
Jedenfalls ist es wieder 'mal so weit. Adventszeit. In den Geschäften, fängt die Vorweihnachtszeit ja bekanntlich bereits im September an, wo man sich doch eigentlich noch gerade vom letzten Sonnenbrand erholt. Egal. Da liegt der immer grinsende Schoko-Weihnachtsmann halt neben der Sonnenschutzcreme. Und wenn im September das Thermometer doch noch ein wenig die oberste Skala der Wärme-Temperaturen anzeigt, dann schmilzt der immer freundliche Schokoladen-Weihnachtsmann mit der Sonnenmilch um die Wette in den Regalen dahin. Wer ist eher flüssiger als flüssig? Auch, wenn die Sonnencreme von Chemie-Natur-aus einen gewaltigen Vorsprung aufzuweisen hat. Wen interessiert das schon? Grinse-Weihnachtsmann nicht. Sonnencreme auch nicht. Gut ist.

Im Advent geht dem ein oder anderen ein Lichtlein auf, da waren sich die vier Advents-Lichter einig. Bei besonderer Intelligenz kann man es auf bis zu vier "Erleuchtungen" schaffen. Das ist doch schon 'mal was. Und funktioniert nur zur Adventszeit. Denn nur da leuchten die besagten vier Lichter. Auf oder auch nicht auf und manchmal auch auf-nicht-auf.

Bei RADIO fresh80s hingegen ist alles anders. Da brennen keine vier Lichter. Da brennt es 365 Tage im Jahr. Ist aber auch kein Wunder, denn die Achtziger waren ein Jahrzehnt, der ganz besonderen Art. Und fresh80s wäre nicht fresh80s, wenn die nicht ganz akribisch die Achtziger frisch halten würden. Verpackt in einer ganz besonderen fresh80s-Frischhaltefolie. Dafür brennt das Radio. Dafür brennen die Hörer. Dafür brennen die Mitarbeiter. Und dafür brennt auch der Adventskranz. Schon 'mal genauer hingeschaut, wenn ihr euren Lieblingssender eingeschaltet habt (wehe ihr habt den Namen vergessen, dann brennt's) und die Kerzen im Takt der Musik ihre kleinen Flammen entzückt bewegen? Ja, so klingen die Achtziger!

Und da Adventskerzen gerne tanzen, freuen sie sich, wenn die sympathische Stimme von Uwe Großkurth erklingt. Denn dann geht es mit dem Soul der Achtziger rund. "Streetlife" und "Streetlife Classics". Und die vier Lichtlein wünschen sich insgeheim, daß sie nicht in einem Kranz feststecken würden. Dann würden sie nämlich mit einem Ghettoblaster im Gepäck durch die Straßen hüpfen. Oder besser noch auf dem Ghettoblaster brennen. Und zwar sowas von. Advent, Advent.

Wo wir doch schon bei Stimmen sind. Bei sympathisch und so. Wenn Adventslichter andächtig lauschen und ihr entzücktes "im-Rhythmus-der-Musik-Aufflammen" einstellen und andächtig, andächtig ihre Flammen spitzen, dann hat er's wieder getan. Sebastian Böhmer. Station-Voice dieses "für-die-Achtziger-brennen-Senders" mit der besagten Frisch-fresh-Haltefolie. Der Mann, der selbst in der andächtigen Adventszeit rund um die Uhr sein "rauscht nicht, aber knistert manchmal schön" durch den Äther schickt. Oder durch's Internet. Advent, Advent.

Ist ja alles so schön Retro hier! Wat war denn so in den Deutschen-, UK- und US-Charts los? Damals in diesem prägnanten Jahrzehnt. Adventskerzen tanzen so gerne. Andreas Seibert weiß Bescheid. Jeweils Montags und donnerstags weiß er alles, was damals in den Charts aus Deutschland, Großbritannien und Amerika los war. Und läßt an seinem Wissen die werte fresh80s-Hörerfolgschaft daran teilhaben. So schön kann Chart-Historie sein. Advent, Advent.

Kerzen brennen so schön golden. Flackern in den schönsten Farben. Eckhard Heuermann mag es auch berauscht zu sein. Bevorzugt den "Goldrausch". So heißt seine Sendung, die einmal im Monat, an jedem vierten Donnerstag die Zuhörer mit Gold nur so überschüttet. Große Hits und viel Interessantes aus den Achtzigern. Da hält eine Kerze nichts mehr im Kranz. Da wird getanzt. Advent, Advent.

Jörg Lotze, Moderator der allseits beliebten "McFly-Show Classics" pflegt am Anfang seiner Sendungen zu sagen: "Wer nicht mithört, hat selber schuld"! Und fliegt gern einmal rund um den Adventskranz "Zurück in die Zukunft". "Und überhaupt steht diese Sendung ständig auf dem Kopf. Was soll sie auch sonst tun?" Advent, Advent.

Manchmal fahren auch ganze Züge durch die Datenbahnen dieses frisch-fresh-fröhlichen Senders. Auch noch Express. Weil man was auf sich hält. Jeden dritten Donnerstag. Schnallen Sie sich bitte an und seien Sie vorsichtig an der Radio-Kante, wenn Henning Halfpap als Lok- pardon - Musikführer mit dem "Musik-Express" für eine Stunde Halt in Ihren beschaulichen vier Wänden macht. Albumtracks, B-Seiten und vieles mehr. Der Kerzenschein erstrahlt. Advent, Advent.

Wie sieht's denn mit den weiblichen Insassen bei diesem Sender aus? Etwas rar. Ganz schön rar. Aber die Betreiberin dieser kuschligen Radio-Station, mit einem Faible für alles, was schön klingt, hauptsache es befindet sich auf Vinyl, ist eine Frau. Hurra, eine Frau! Anett-Jaqueline Strauß. "Hurra, hurra, der Adventskranz brennt". Advent, Advent.

Ach und da ist ja noch eine. Noch 'ne Frau. Daniela Herbig. Sie kümmert sich um die freshen Hörer-Mails, rotiert das tägliche Programm Stunde für Stunde, hört in Bemusterungen rein, steht ständig mit mit den Künstlern und Labels in Kontakt und natürlich mit den 4 Adventskranz-Kerzen. Kümmert sich um die Facebook-Präsenz des freshen Senders und schreibt Texte. Lange Texte. Über Künstler aus den Achtzigern und zur Adventszeit natürlich und moderiert ganz nebenbei gemeinsam mit Oliver Ott die Sendung "Die freshen 2 - Erwarten Sie nichts...!". Kerzen haben in der Brenn-Pause Spaß daran still flackernd zu lauschen. Advent, Advent.

Tja, und wer muß diese Ansammlung von Leuten mit ihren kreativen Ideen und ihrem Achtziger-Enthusiasmus "unter einen Hut bringen"? Tschuldigung, unter einen Kranz? Den Sendeablauf gewährleisten, die Technik im Griff haben, die freshe Webseite bauen und Grafiken erstellen und ständig aktuell halten? Bitte einmal Luft holen. Adventskranz-Kerzen flackern bei so viel fresher Kompetenz gern einmal... Und weiter gehts mit dem freshen Advents-Raten : Wer muß Titel digitalisieren, nebenbei die Sendung "Die freshen 2" mit Daniela Herbig moderieren und "Junge-für-alles" sein? Und ganz wichtig: Das nächste Adventsgedicht als erster auswendig aufsagen können? Naaaa....? Jawohl, das ist ein gewisser Herr Ott. Oliver Ott. Ohne ihn wäre es ganz schön still bei fresh80s. Und Stille ist für so einen Radio-Sender nun wirklich nicht das Ziel, welches erstrebenswert ist. Auch nicht in der Adventszeit. Advent, Advent.

Nun ist aber gut. Die vier besinnlichen Kerzen müssen ihre Flammen schonen. Es gab schließlich so viel zum Brennen. Und wer das hier für einen billigen und überhaupt nicht ernstgemeinten Werbetext hält, der kann gleich noch eine Runde extra um den Adventskranz drehen. Hält das hier etwa jemand wirklich für einen billigen Werbetext? Nein, da würde euch doch sonst ein Lichtlein aufgehen, oder? Und wenn das fünfte Lichtlein brennt, dann...RADIO fresh80s (b)rennt...

Eine besinnliche und schöne Adventszeit!

Text:
Daniela Herbig

Comic:
Kai Wacker



Platten brauchen keine Fönwelle – Mit Frl. Menke in Seenot

Es gibt Lieder, die hört man und dann bekommt man sie nicht mehr aus dem Kopf. Melodien, die sich so einprägen, daß die pharmazeutische Schlafmittel-Industrie eigentlich einen neuen Markt für sich entdecken könnte. Ist da wirklich noch niemand drauf gekommen? Also wirklich nicht? Den Zustand, daß Du eine Melodie ständig im Ohr hast, wie einen kleinen unsichtbaren Mann, der aus einer Endlos-Repeat-Taste zu bestehen scheint, und dir die Töne in schönen und nicht zu stoppenden Wiederholungsschleifen leise oder auch 'mal lauter in Deine Gehörgänge quasi einspeist. Und dabei völlig unberücksichtigt läßt, ob es sich dabei um den hellen Teil der 24 Stunden, also den Tag-Teil oder dem dunklen Teil des 24-Stunden-Rhythmus' handelt, auch als Nacht bekannt. Manchmal kann man sich nicht wehren. Egal, was man macht. Der Nachbar feiert wieder einmal eine Party in einer Lautstärke, daß das Porzellan langsam in seine wertvollen Einzelteile zerbricht. Mit dem Besen gegen die Wand klopfen!? Hilft zumindest dem Gefühl etwas tun zu können. Was aber kann man tun, wenn der "Quälgeist" sich direkt in einem selbst befindet? Wie auch immer er da reingekommen sein mag.

"Traumboy - ich bin so einsam, Traumboy, wann wirst du mein..." Ich werde gleich selbst "mein". Im Radio gehört, fast nebenbei, beim Schularbeiten-Machen. Soll man ja nicht. Also Hausaufgaben machen und dabei Musik hören. Ich konnte aber ohne Musik hören, keine Hausaufgaben machen. Wollte ich auch nicht. Und nun hatte ich den Schlamassel. Die "dunkle Seite der Macht" hatte Einzug gehalten. Na ja, eigentlich war es nur Zeit zum Schlafen gehen. An Schlaf war aber nicht im entferntesten zu denken. Ein von mir erträumter Zustand, jedoch konnte ich davon wahrlich nur träumen. Immer wieder diese Zeile. Wahrscheinlich hatte der "kleine Mann im Ohr" noch nicht den ganzen Text auswendig auf seiner Datenbank der "Melodien für Millionen" parat. Irgendwann in den frühen Morgenstunden fiel ich in einen kurzen Schlaf. Doch "Halt": Nachdem wieder irgendwelche mathematischen Gleichungen und mir ominös erscheinende Zahlenreihen auf Schäfchen-Wolken begegneten, hörte ich aus der Ferne eine mir mittlerweile ein klein wenig vertraute Melodie. "Traumboy, ich bin so einsam..." Meine Augen drehten sich nach innen und schon war ich wieder hellwach. Kann denn nicht irgendjemand dieser verzweifelten Frau diesen Traumprinzen bringen, damit ich endlich wieder meine Ruhe habe? Oder, hochverehrte Pharma-Industrie: "Ist da denn so gar nichts zu machen? Ein paar bunte Pillen gegen den "kleinen Mann im Ohr"? Leute, ihr habt gegen fast alles so ein kleines rundes oder gar eckiges Teilchen!" Den passenden Werbe-Slogan hätte ich bereits: "Sie haben einen "kleinen Mann im Ohr" - das kommt mit "Small Man Away" nicht mehr vor!" Oder so ähnlich.

Das war meine erste bewußte Begegnung mit Frl. Menke. Dass vorher schon "Hohe Berge" (bis heute 2,5 millionenmal verkauft) von ihr besungen wurden, erschloß sich mir erst nach dem "Traumboy". In der ZDF-Hitparade war man wohl von der Kostüm-Idee der Künstlerin nicht so angetan. Wollte diese doch in einem weißen Brautkleid mit Schleier auftreten. Das tat sie dann auch. Den Schleier holte sie jedoch erst während ihres Live-Auftritts hervor und setzte ihn sich ganz selbstverständlich auf den Kopf. Ach ja zu dieser Zeit wurden die "ZDF-Mainzelmännchen" schon arg geschüttelt und gebeutelt von diesen komischen Künstlern.

Die Stimme von Franziska Menke hatte und hat bis heute einen hohen Wiedererkennungswert. Das leicht rauchige in in ihrem Gesang prägte ihre Songs und gab ihnen das gewisse Etwas. Irgendwie war sie ein Typ. Etwas Eigenständiges. Das galt auch für ihre Art sich auf der Bühne zu bewegen. Das ist das, was in der NDW (Neue Deutsche Welle) ohnehin viel Kreativität bewies. Wenn ich Hubert Kah sage, weiß wohl jeder, was ich meine. Die Musiker machten einfach "ihr Ding". Gesanglich, outfitmäßig und überhaupt. Sie hauchten damit der deutschen Musiklandschaft "neues" Leben ein. Frl. Menke katapultierte sich zu einem NDW-Star und wurde 1982 von den BRAVO-Lesern unter die 10 beliebtesten Sängerinnen gewählt.

Als dann 1983 ihre dritte Single "Tretboot in Seenot" erschein, ereignete sich in meinen vier Wänden ein nahezu "traumatisches" Ereignis, welches ich auch noch selbst verursacht hatte. Dieses "Tretboot in Seenot" war nämlich auch so ein besagter Wurm, besser als Ohrwurm bekannt, gegen den die Pharmaindustrie scheinbar bis heute machtlos zu sein scheint. Das kleine runde schwarze Ding, auch Single genannt, hatte ich stolz erworben und hörte es nun rauf und runter. Im Nu war ich textsicher und hüpfte wie ein Flummi durch das Zimmer. Hätte mich jemand sehen können, hätte wahrscheinlich jeder gedacht, daß ich in Seenot bin. So weit so gut. Wenn ich nicht auf eine ganz hochintelligente und so gar nicht empfehlenswerte Idee gekommen wäre.

Haare waschen. Meine langen blonden Haare sollten frisch im Wind zu der Musik fliegen. Jawohl! Gedacht, getan. Beim Waschen der Haare trällerte ich fleißig: "...SOS will nach Haus', SOS will hier raus, SOS will nicht untergeh'n..." Nichts ahnend, daß meine gute Laune eine gehörige Abkühlung erfahren sollte. Ich holte meinen Föhn, um schnellstmöglich die zotteligen Haare trocken zu bekommen, damit ich mein in Seenot geratenes Tretboot schnell wieder auf den Plattenteller legen konnte. Aber warum eigentlich warten? Okay, der Föhn ist laut, aber dann mache ich halt die Lautstärke eben lauter als den Föhn. Eine geniale Idee einer Elfjährigen. Platte an, Föhn an und dann auch noch laut mitgesungen.

Eine knappe Minute später wunderte ich mich, daß die Töne, die ich vernahm sich seltsam verquer anhörten und eher aus einem Horror-Film entsprungen zu sein schienen. Ein prüfender Blick Richtung Plattenspieler, gefolgt von blankem Entsetzen. Was war das?! Das kleine runde schwarze Ding holperte nur noch im passenden gerade noch einwandfrei besungenem Wellengang über den Plattenteller. Die Nadel war allerdings bei diesem sehr heftigen Seegang dem Treiben nicht gewachsen und hatte sich verabschiedet. Föhn aus. Fassungslosigkeit, gefolgt von Wut über meine eigene Dummheit machte sich breit. Ja, aber dann liefen mir doch ein paar salzig schmeckende Tropfen über das Gesicht, denn ich konnte mir die Platte kein zweites Mal leisten. Aufgelöst im Tränenmeer rannte ich wie vom Blitz getroffen in die Küche zu meiner Mutter. Sie schaute mich an und dachte wunder, was Schlimmes passiert sei. Nach kurzer kaum zu verstehender Berichterstattung meinerseits, konnte meine Mutter sich das Lachen nicht verkneifen.

"So 'ne Platte hat nicht jeder", meinte sie. Ich wollte aber eine, die alle haben. Eine, die ich wieder abspielen kann! Wie mein Vater reagiert hat, als er dieses Kunst-Produkt sah, muß ich ja wohl nicht erwähnen. Nicht aufgeben lautete meine Devise. Nun war ich also auf Radio und Fernsehen angewiesen. Damit ich das Lied auf Kassette aufnehmen konnte. Aber "der kleine Mann" im Ohr hatte jetzt auch seine guten Seiten. Denn ich hatte dieses Lied auswendig mit Text im Kopf. Ob mit oder ohne Radio.

Frl. Menke bekam von diesem weltbewegenden Ereignis dieser ganz besonderen Föhnwelle auf "Tretboot in Seenot" natürlich nichts mit. Sie veröffentlichte noch zwei weitere Singles "Messeglück in Düsseldorf" (1983 Polydor) und "...die ganze Nacht" (1984 Wea). "Messeglück in Düsseldorf" ist leider schon etwas untergegangen. Völlig zu unrecht. Dieser Song zählt für mich heute zu ihren Klassikern. Das 1982 erschienene Album mit dem schlichten Titel "Frl. Menke", ebenfalls Polydor, habe ich mir erst viele Jahre später kaufen können. Es enthält ein paar ganz tolle Lieder, die ich auch 2015 noch sehr gerne höre. Neben den Hit-Singles "Hohe Berge" und "Traumboy" (in der Maxi-Version) sind für mich "Tag des Herrn", "Angst" und das unübertroffene "Ich sitz immer am Fenster" absolute Lieblings-Titel. Dort heißt es u.a.: "...mein Freund, der wählt alternativ, und ich sitz' immer am Fenster. Er meint ich sei wohl naiv, doch ich sitz' lieber am Fenster..." Die Texte schrieb / schreibt Franziska Menke selbst, oft zusammen mit Harry Gutowski, selbst Autor, Texter, Produzent und Musiker. Im Jahr 1998 wurde das Album unter dem Titel "Hohe Berge" erstmalig als CD veröffentlicht und enthält zusätzliche einige Single B-Seiten und Maxi-Versionen.

2010 veröffentlichte das ehemalige Fräulein-Wunder der NDW unter dem Namen Franzi Menke die Single "Freunde" und bewies mit dieser Veröffentlichung, daß sie auch im Hier und Jetzt als Musikerin angekommen ist. Eine leichte und eingängige Pop-Nummer mit einem schönen Text. Untätig war sie in der Zwischenzeit ohnehin nicht. Sie hat Musik für die Werbung geschrieben ("Berentzen"), ab 2000 spielte sie in verschiedenen Theater-Produktionen mit.

Bis heute tritt sie auch immer wieder mit einigen NDW-Kollegen auf NDW-Partys auf. Am 26. Dezember 2015 moderierte Franziska Menke das "Watts Up-Festival" in Cuxhaven. Medienpartner war RADIO fresh80s.

Aber was wurde aus dem "Tretboot in Seenot"-Trauma einer Elfjährigen? Im Jahr 2005 hat mir ein lieber Freund die Platte zu Weihnachten geschenkt. Trauma aufgelöst. 22 Jahre später konnte ich dieses kleine runde Ding wieder mein Eigen nennen. Geföhnt habe ich mir aber meine Haare seit diesem denkwürdigen Tag nie wieder in der Nähe eines laufenden Plattenspielers. Obwohl ich zugeben muß, dass das schon ein besonders gelungenes Kunstwerk war, was ich da ganz unbedarft mit meinem Föhn kreiert hatte. "Im Tretboot in Seenot treiben wir im Abendrot, zögernd gibt er zu versteh'n - Schatz, es ist kein Land zu seh'n..." Dieses Lied wird immer eine besondere Bedeutung in meinem Leben haben. Und wehe jemand erwähnt das Wort Föhn in diesem Zusammenhang. Wie, das habe ich schon selbst getan...? Niemals...

Daniela Herbig / RADIO fresh80s

Hinweis
Viele interessante Artikel gibt es auch auf der Homepage von Daniela Herbig unter: https://www.dalila-light.de



Rio Reiser: „…bei euch da unten läuft doch alles schief…“

1987 sang Rio Reiser auf seinem zweiten Solo-Album "Blinder Passagier" (CBS) in dem Song "Arche B." (Text: Misha Schöneberg): "...neulich schrieb mir Noah einen Brief, bei euch da unten läuft doch alles schief, aber lass' uns jetzt nicht lange reden - wieso, weshalb und warum und weswegen...". Wenn Ralph Christian Möbius alias Rio Reiser heute noch leben würde, würde er vermutlich diese Textzeile genauso singen wie vor 29 Jahren. Die Menschheit steht nach wie vor vor denselben Problemen (mögen sich die Darstellungsformen mitunter auch in einem anderen Gesicht zeigen) und der Suche nach Antworten und umsetzbaren Lösungen.

Rio Reiser, der am Tag seiner Geburt am 09.01.1950 als erstes eine vierzig Watt Glühbirne erblickte und als zweites das Osram-Blitzlicht seines Vaters, hätte als Musiker, Texter und Songschreiber, der die Welt und das Leben neugierig und hinterfragend (er-)lebte und beobachtete, noch genügend Material für unzählige Songs. Seine Band "Ton Steine Scherben" (1970-1985) lieferte Anfang der Siebziger den Soundtrack der linken Szene mit den bekannten Titeln wie "Keine Macht für Niemand" oder "Macht kaputt, was euch kaputt macht". Einprägsame Parolen, die sofort im Ohr blieben. Man verschaffte sich Gehör. Und darum ging es letztendlich. "Ton Steine Scherben" verstanden sich als Musiker-Kollektiv, in dem Kreativität und das Entwickeln von Songs eine sehr wichtige Rolle spielten. Im Laufe der Zeit entzog sich die Band dem Anspruch und der Vereinnahmung der linken Szene und kaufte einen Bauernhof in Fresenhagen (Nordfriesland). Weit ab von Berlin entstanden neue Eindrücke und Ideen, die auf dem 1975 erschienenen Doppel-Album der Scherben "Wenn die Nacht am tiefsten..." (David Volksmund Produktion) ihren Weg auf Platte fanden. Noch deutlicher wurde der Abstand von Berlin auf der sogenannten "Schwarzen" (1981; David Volksmund Produktion). Ebenfalls eine Doppel-LP mit dem schlichten Titel "IV". Klassiker wie "Jenseits von Eden", "Der Turm stürzt ein" und "Heimweh" sind auf diesem Album verewigt worden. 1984 veröffentlichte die Major Company Wea die Single "Dr. Sommer" mit Rio Reiser, produziert von Annette Humpe und Gareth Jones . 1985 kam das Aus für die Scherben. Schulden von rund 200.000 DM hatten sich angehäuft. Die Band löste sich auf. Rio Reiser machte allein weiter.

1986 begann die Solo-Zeit von Rio Reiser. Annette Humpe (Ideal) hatte den Kontakt zu George Glueck hergestellt. Rio's zukünftigem Manager. Im Januar 1986 erschien die Single und Maxi-Single "Alles Lüge" (CBS) und sorgte für Neugier und Anerkennung bei denjenigen, die Rio Reiser bis dato nicht kannten und für Ablehnung derer, die ihr Idol aus der linken Szene nicht kommerzialisiert wissen wollten. Bis heute habe ich dieses Phänomen nicht verstanden: Was daran falsch sein soll, wenn ein Musiker seine Songs nun einer breiteren Masse zugänglich machen kann. Rio Reiser hat in seiner Solo-Zeit die gleichen Themen besungen, wie zu Scherben-Zeiten. Und viel Song-Material aus der Zeit mit "Ton Steine Scherben" verwendet, wie z.B. die erste Single "Alles Lüge". Liebeslieder, Seemannslieder und kleine Geschichten bekamen ebenfalls mehr Raum.

Gleich die zweite Single-Veröffentlichung aus dem erfolgreichen ersten Album "Rio I." (CBS) "König von Deutschland" avancierte zum größten Hit von Reiser. Und ist bis heute unzählige Male gecovert worden. Die Radio-Stationen liebten den Titel und spielten ihn rauf und runter. Leider entwickelte sich "König von Deutschland" ein wenig zu "Fluch und Segen" gleichermaßen. Plattenfirma und auch Fans wollten von da an immer wieder einen zweiten "König von Deutschland". Sprich einen mindestens genauso großen Erfolg oder aber besser einen noch größeren als mit dem "alten König". Erst einmal koppelte man noch zwei weitere Singles aus dem Erfolgsalbum aus. "Junimond" und "Für immer und dich". Beide CBS. Und beide ebenfalls auch als Maxi-Single erschienen. "Für immer und dich" erstrahlte in einem aufgefrischten Sound-Gewand und klang somit anders als auf der LP. "Rio I." wurde mit hochkarätigen Studio-Musikern wie u.a. Curt Cress, Peter Weihe und Kenneth Tayler eingespielt. Annette Humpe und Udo Arndt produzierten das "Erstlingswerk". Rio Reiser hatte 1986 sein erfolgreichstes Jahr und wurde von den Lesern der Zeitschrift "Musik Express" zum erfolgreichsten "Newcomer" gewählt. Was deutlich machte, daß Rio Reiser zwar schon seit 26 Jahren (ab der "Scherben-Zeit" gezählt) als Musiker arbeitete, aber eben der breiten Masse nicht bekannt war. Das von allen Seiten hochgelobte Album "Rio I." schaffte es bis auf Platz 26 der deutschen Charts.

1987 erschien das bereits oben erwähnte Album "Blinder Passagier" (CBS) und enthielt viele schöne Songs. Bänkelgesänge, Seemannslieder, Songs voller Poesie und Kritik. Die "Gropiuslerchen", die mit dem Lied "Berlin, Berlin" 1987 zur 750-Jahr-Feier Berlins in den Charts waren, sangen auf "Blinder Passagier"den Chor bei der wunderschönen Pop-Ballade "Der Sommer kommt". Mit "Manager" startete man einen zweiten Versuch um ein wenig an den Erfolg von "König von Deutschland" anzuknüpfen. Einzigartige Textzeilen, die mehr als deutlich machten, daß Rio Reiser ein Texter war, der seinesgleichen suchte, befanden sich auf diesem zweiten Longplayer. "...du sagst du willst die Welt nicht ändern, und ich frag' mich, wie machst du das nur..." ("Wann"; Text: Rio Reiser). Oder "Normal" (Text: Rio Reiser): "...ich bin normal wie du und ich, weiß was ich tun darf und was nicht, ich mach' alles, was man mir sagt, ich hab' noch nie Warum gefragt..." Rio Reiser war ein begnadeter Sänger und schaffte es jedem Song eine gesangliche Atmosphäre einzuhauchen, die den Zuhörer erreichte. Nicht nur oberflächlich, im Vorbeigehen, sondern tiefer. Er berührte die Seele. Die Herzen. Es gibt nicht so viele Sänger, die diese Tür bei ihren Hörern öffnen können. Denn hierbei geht es nicht um den perfekten Gesang, der jeden Ton trifft, sondern darum das Gefühl in die Stimme zu transportieren. Rio's Stimme konnte problemlos und gleichermaßen freche Rotzigkeit, Ironie, Liebeskummer, Sehnsucht, Verzweiflung und Stärke ausdrücken. All das floss authentisch in seine Songs ein.

Das dritte Album, welches den schlichten Titel "Rio***" trug (das mit den drei Sternchen), erschien 1990 bei CBS. Produziert wurde es von "den Kuhjaus". Hinter diesem Pseudonym verbargen sich Udo Arndt und Reinhold Heil (Spliff / COSA ROSA). Ein synthetischer Klangteppich durchzieht das gesamte Album. Dieser endet aber nach jeweils drei Titeln. Dort stoppte dann das Tonband und Rio mußte es wechseln, wie er im Pressetext-Material zu dieser Platte erzählte. Zwei Singles, die auch als Maxi erschienen sind, wurden ausgekoppelt. "Zauberland" und "Geld". "Zauberland" gilt neben "Junimond" und "Für immer und dich" als eine der schönsten Balladen von Rio Reiser. Bis heute. Mit dem Refrain von "Alles" (Text: Rio Reiser) erinnerte der Songpoet u.a. an die Kraft der Fantasie: "...alles, was ich sein will, kann ich sein - ich kann alles sein, was ich will..." Wie oft diese lebendige und kreative Kraft, die in jedem Menschen vorhanden ist, im hektischen Alltag verloren geht, läßt sich nur erahnen. Oft, sehr oft. Die ebenfalls wunderschöne Ballade "4 Wände" zählt heute zu den Reiser-Kult-Songs. "...vier Wände, meine vier Wände, ich brauch' meine vier Wände für mich..." Wie glücklich man sich schätzen kann, wenn man seine eigenen vier Wände besitzt.

Manchmal mußte es auch mit dem Kopf "Durch die Wand" sein. Für den im Tierkreiszeichen "Steinbock" geborenen Musiker traf auch dieses Merkmal zu. Spätestens mit dem vierten Studio-Album. "Durch die Wand" (Columbia) 1991. Als Single-Auskopplungen erschienen "Jetzt schlägt's dreizehn" (auch als Maxi erschienen) und "Nur dich" (1992). Lutz Kerschowski, ein Musiker aus der ehemaligen DDR, war mittlerweile festes Band-Mitglied bei Rio Reiser und schrieb den Text für "Nur dich". 1988 spielte er als Vorgruppe beim legendären Rio-Reiser-Konzert in der Werner-Seelenbinder-Halle. Der wunderschöne und eindringliche Song "Der Krieg" (Text: Rio Reiser) kommt auf diesem Album zwar nicht ganz so intensiv daher, wie auf der von Möbius-Rekords 1998 veröffentlichten CD "Rio am Piano I", ist aber bis heute unverzichtbarer und zeitloser Bestandteil der Rio-Must-Have-Songs: "...der Krieg, er ist nicht tot der Krieg, er ist nicht tot er schläft nur, er liegt da unterm Apfelbaum und wartet - auf dich, auf mich - er ist nicht tot der Krieg..."

Da der Erfolg von "König von Deutschland" und dem dazugehörigen Album "Rio I." sich nicht wieder einstellte, versuchte man es noch einmal mit Erfolgsproduzentin Annette Humpe. Rio Reiser, der immer lieber Musik machen wollte als in irgendwelchen Talkshows zu erzählen, daß er eine neue Platte gemacht hat, hatte mittlerweile immer weniger Lust auf Interviews, in denen er sich ohnehin meistens nur oberflächlich und mit den immer gleichen Fragen konfrontiert sah. Das 1993 erschienene fünfte Album nannte sich einfach "Über alles" (Columbia). Mittlerweile war CBS The Family of Music schon längst von Sony Music übernommen worden. Mit "Neun99zig" widmete sich Rio dem bis heute anhaltenden "Phänomen" der auf Preisschildern stehenden 99 Pfennig nach dem Komma. Und kommt zu dem Schluß: "...ich schenk' dir 'n Pfennig und kassier' 'ne Million...9,99 keine zehn Mark..." Heute ist es natürlich der Cent. "Nimmst du mich mit" und "Inazitty" erschienen als Maxi-CD. Die CD hatte das Vinyl abgelöst.

1994 gab es eine "Best-Of" mit einer neu arrangierten Version vom "König von Deutschland" Textlich aktualisiert. Und ein klein wenig kehrte für einen kurzen Moment der Erfolg von einst zurück.

Bereits 1995, neun Jahre nach dem Beginn der Solo-Karriere, erblickte "Himmel & Hölle" (Columbia) als sechstes Album das Licht der Musik-Welt. Dass dieses Album das letzte von dem Sänger mit der Stimme, die aus der Seele kam, werden sollte, ahnte zu diesem Zeitpunkt wohl noch niemand. "Straße" und "Träume" wurden als Maxi-CD veröffentlicht. "...Träume verweh'n, wenn niemand da ist, der sie träumen kann...", heißt es in "Träume". Dieser Song stammte aus dem Tatort "Im Herzen Eiszeit", in dem Rio Reiser eine der Hauptrollen spielte. Das Album enthält elf wunderbare Rock-Songs und Balladen und kam wieder sehr viel rockiger daher, als die Vorgänger-Alben. Als letzter Titel befand sich "Himmel & Erde" (Text: Rio Reiser) auf der CD: "...und da waren zwei Menschen, die trafen vier Menschen, die trafen acht Menschen, die trafen sechzehn Menschen, trafen zweiunddreissig Menschen und die hatten sich gerne, die bauten 'ne Leiter wollten bis zu den Sternen - am Schluß waren's viel mehr als hunderttausend Leut' und wenn wir nicht gestorben sind leben wir noch heut'..."

Rio Reiser starb am 20. August 1996 auf seinem Hof in Fresenhagen (Nordfriesland). Bis 2011 befand sich sein Grab hinter seinem Haus. Seit 11. Februar 2011 befindet sich seine letzte Ruhestätte auf dem St.Matthäus Friedhof in Berlin.

Der Ein oder Andere mag sich jetzt fragen, warum hier nichts über seine Kindheit steht, über seine Jugend, nichts über das Hoffmann's Comic Teater, nichts über seinen ersten Kino-Fim "Johnny West", so wenig über Ton Steine Scherben, seine Mitgliedschaft in der PDS, nichts über Claudia Roth als Managerin der Scherben und nichts über seine Homosexualität und nichts über die Songs, die er für andere Künstler, wie Ulla Meinecke, Pe Werner u.a. geschrieben hat, nichts über seine Familie, nichts über weitere Film-Musiken und nichts über... All diese Dinge sind schon so oft ge- und beschrieben worden. In Büchern, Zeitschriften-Artikeln, In Foren, auf Webseiten, in Biografien und Autobiografien und und und. Dieser Artikel ist eine Erinnerung an einen einzigartigen Musiker, der die deutsche Sprache so wunderbar in Song-Texte transportieren konnte, daß Menschen sich in ihrer Seele und in ihrem Herz berührt gefühlt haben und immer noch fühlen. Das ist das, was immer bleibt: Die unvergessene Musik eines einzigartigen Künstlers. Und das ist das, was die Menschen verbindet. In Rio Reiser's Musik. "...da war ein Wort am Anfang der Welt, ein Wort das die dunkelste Nacht erhellt, das Wort war Liebe war das Wort und das ist der Schlüssel zum großen Tor..." ("Irrlicht"; Text: Rio Reiser)

Text: Daniela Herbig
Fotos: Audioarchiv RADIO fresh80s



NENA: „Ihr kennt mich vielleicht noch aus den Achtzigern…“

Am 27. Februrar 2015 erschien das achtzehnte reguläre NENA-Album "Oldschool" (Lough & Peas Companay BMG) auf dem Markt. (Sämtliche Live-, Best Of-, englischsprachige und Kinder-Alben nicht mitgezählt.) Die mittlerweile 55-jährige Sängerin (geb. 24.03.1960) zählt zu den größten Popstars in der deutschen Musikgeschichte. Wer hätte das Anfang der Achtziger für möglich gehalten?

Am 21. August 1982 präsentierte eine noch völlig unbekannte Band im "Musikladen extra - deutsche Ausgabe" (von Radio Bremen produziert; ausgestrahlt in der ARD) ihre erste Single. "...ich hab' heute nichts versäumt, denn ich hab' nur von dir geträumt...", sang die damals 22-jährige Gabriele Susanne Kerner, wie Nena mit bürgerlichem Namen heißt. Den Zuschauern stockte der Atem. Den männlichen wohl eher wegen des superkurzen roten Leder-Minirocks (..."mir ist schon ganz heiss..."), den die quirlige Frontfrau trug und die weiblichen hatten endlich die Identifikationsfigur zu jener Zeit schlechthin gefunden. NENA. Dieser Auftritt sollte der Beginn einer außergewöhnlichen Karriere sein. "Nur geträumt" (Text: Nena Kerner, Rolf Brendel; Musik: Uwe Fahrenkrog-Petersen) war bis zu diesem Auftritt im "Musikladen" ein braver Ladenhüter gewesen, der allenfalls die Plattenregale mit seiner Anwesenheit beglückte, aber eben auch nicht mehr. Die Karriere der fünfköpfigen Band startete nun mit Überschallgeschwindigkeit und schien erst einmal durch nichts zu stoppen zu sein. Mit Jim Rakete (eigentlich Günther Rakete) hatte die Band einen hervorragenden Fotografen und Manager an ihrer Seite. Die NENA-Band bestand in den Achtzigern aus: Nena Kerner (Gesang), Carlo Karges (Gitarre), Uwe Fahrenkrog-Petersen (Keyboard), Jürgen Dehmel (Bass) und Rolf Brendel (Schlagzeug).

Mit den berühmten "99 Luftballons", geschrieben von Carlo Karges (gestorben am 30. Januar 2002), gelang den Nena's sogar der internationale Durchbruch. Weltweit flogen die "99 Luftballons" in die Charts ein. Der Anti-Kriegs-Song wurde von Christiane F., neben vielen anderen Titeln, mit auf eine USA-Reise genommen. DJ Rodney Bingenheimer vom nordamerikanischen alternativen Radio-Sender K-ROQ wurde auf das Lied aufmerksam. Dort gespielt, verbreitete sich der Song ebenfalls in rasantem Tempo und avancierte auch in den USA zu einem Mega-Hit. Die deutsche Original-Version der "99 Luftballons" flog in Amerika bis auf Platz 2. In England hingegen veröffentlichte man Ende 1983 mit "99 red balloons" eine englischsprachige Variante des Top-Hits, der es dann im Februar 1984 bis an die Spitzenposition der Charts schaffte.

Die steile Karriere von NENA glich fast einem Märchen. Mädchen und junge Frauen wollten unbedingt wie NENA aussehen. Jungs und Männer verliebten sich reihenweise in das deutsche Pop-Mädchen, welches mit seiner teils unbedarft, frech, fröhlichen Art vielleicht an eigene (verlorene) Träume und Sehnsüchte erinnerte. NENA versprühte eine Form von Lebendigkeit und Unbekümmertheit, die die alltäglichen Nöte und Sorgen ihrer Fans für einen Moment in den Hintergrund treten ließen. Als die NDW (Neue Deutsche Welle) 1982 ihre kommerzielle Hoch-Phase erreichte, wurde NENA zum Aushängeschild. An diesen vier Buchstaben kam keiner (mehr) vorbei. Die Jugendzeitschrift BRAVO platzierte das Fräuleinwunder wöchentlich auf der Titelseite und es verging kaum eine Ausgabe ohne NENA-News und Berichte. Es folgten Poster, Star-Sticker, Star-Album, Star-Bühne und zwei Star-Schnitte. Wer NENA unbedingt in Lebensgröße (wer wollte das damals nicht?) in seine vier Wände oder wo auch immer hinhängen wollte, hatte mit BRAVO die Zeitschrift gewählt, die es Teenie-Träumereien und Fantasien ermöglichte dem Liebling der Nation 'mal "so ganz nahe" zu kommen. Neben dem Jugendmagazin Nummer Eins, sprangen natürlich auch alle anderen Medien auf den NENA-D-Zug auf. Einschaltquoten und Auflagen ließen sich mit NENA erhöhen. NENA war ein Phänomen, welches manchmal wie aus einer fernen Galaxie auf diesem Planeten wirkte. Der "Stern" titelte 1983: "NENA - Der singende Zeitgeist".

Mit zunehmendem Erfolg kamen auch die Neider. Das immer gleiche Phänomen (besonders in Deutschland). Ist jemand erst einmal groß genug geworden, beginnt man langsam aber sicher den einst hochbejubelten Star daran zu erinnern, daß das Hoch jetzt nun reicht. Die aufgebauten Türmchen müssen wieder zertrümmert werden. Zugegeben kam NENA anfangs noch eher bescheiden daher, wurde mit dem stetig steigenden Erfolg auch schon 'mal ordentlich geprotzt. Aber das ist ja kein allein NENA-typisches Phänomen. In einer Welle von überschäumendem Erfolg und wenn einem die ganze Welt im wahrsten Sinne des Wortes zu Füßen liegt, ist es ganz sicher auch nicht leicht immer die "Bodenhaftung" zu bewahren. Erfolg will auch verarbeitet werden. Und dafür hatte die Band schlichtweg keine Zeit.

Das erste Album "NENA" (CBS) verkaufte sich damals über eine Million Mal und die daraus ausgekoppelten Singles "Nur geträumt", "99 Luftballons" und "Leuchtturm" platzierten sich alle in den obersten Chart-Positionen. Ebenfalls noch 1983 erschien die erste gleichnamige Single vom zweiten Album. "? (Fragezeichen)". Die Single kündigte auch tempomäßig an, daß es etwas ruhiger und langsamer zugehen würde auf dem neuen Longplayer. Das Album "? (Fragezeichen)" verkaufte sich damals rund 780.00 mal. Platin-Status. Auch die zweite LP wurde wie der überaus erfolgreiche Vorgänger von Reinhold Heil und Manne Preaker (Spliff) produziert. NENA ging auf Europa-Tournee und war am Zenit ihres Erfolges angekommen.

Die für eine kurze Zeit sehr erfolgreiche NDW (Neue Deutsche Welle) erreichte langsam ihr Aus. Englischsprachige Musik beherrschte wieder stärker den deutschen Musik-Markt. "...irgendwie fängt irgendwann, irgendwo die Zukunft an, ich warte nicht mehr lang'..." Die Zukunft von NENA als Band war 1984 mit dem letzten großen Erfolg "Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann" nocht nicht gefährdet. 1985 erschien das dritte und wendungsreiche Album "Feuer & Flamme". Ein bißchen weg vom Teenie-Band-Image wirkte das Album "erwachsener". Internationaler. Hatte man sich schließlich mit u.a. Lisa Dalbello tatkräftige Unterstützung geholt. In der BRAVO "schockte" NENA mit blauem Lippenstift, bunter Jacke und bunten Strähnchen in den Haarspitzen ihre wartenden Fans. "Feuer & Flamme" ging ca. 255.000 mal über die Ladentische und schaffte immerhin noch den "Gold-Status". Doch die überall plakatierte großflächige Werbung der "NENA-Tour'85" konnte die teils halbleeren Hallen nicht verhindern.

Das Album "Feuer & Flamme" (CBS), welches ebenfalls auch als komplett englischsprachige Ausgabe erschien unter dem Titel "It's all in the game" (CBS), zeichnete sich durch eine tolle, wenn auch manchmal "etwas zu viel-Produktion" aus. Auch die Texte wirkten "gereifter". In "Haus der drei Sonnen" (Text: Carlo Karges; Musik: Uwe Fahrenkrog-Petersen) wurde die Geschichte eines Spielers erzählt, der sich an den Spielautomaten verliert und "Das alte Lied" (Text: Carlo Karges; Musik: Jürgen Dehmel) handelte von dem immer gleichen Trott und das jeder immer das macht, was er eben macht. Tagein tagaus, ohne vielleicht einmal innezuhalten, ob das nun auch wirklich so richtig ist. Dieses tagein tagaus. "...Spekulanten spekulieren, Demonstranten demonstrieren, Polizisten patroullieren...und die ganze Welt singt mit das alte Lied..." Die NENA-Fans wollten das alte NENA-Lied aber immer weniger mitsingen und zogen sich zurück oder wandten ihre Aufmerksamkeit anderen Dingen zu. Mit "Du kennst die Liebe nicht" (Text und Musik: Nena Kerner) wurde 1986 eine völlig neu arrangierte Single- und Maxi-Version des Lieblingsstücks der NENA-Fans vom "Feuer & Flamme"-Album veröffentlicht, die musikalisch nichts mehr mit der Version vom Longplayer gemeinsam hatte. Aus einer Ballade wurde nun ein Rock-Song.

1986 erschien das letzte NENA-Album als Band. "Eisbrecher" (CBS). Hier war man wieder zurückgekehrt. Zu den Wurzeln. Und man hoffte, daß auch die Fans wieder den Weg zu NENA finden würden. "...es ging alles viel zu schnell, deshalb konntet ihr uns auch gar nicht seh'n, wir wollten euch auch nicht schockier'n, doch wir hoffen auf ein Wiederseh'n...", hieß es in "Mondsong", der ersten Single-Auskopplung. "Mondsong" schaffte es immerhin noch einmal auf Platz 36 der Single-Charts, konnte aber an die Erfolge von einst nicht mehr anknüpfen. Das Album klang durchweg erdiger und rockiger als das sehr stark, an manchen Stellen, wie oben bereits erwähnt, auch etwas überproduzierte "Feuer & Flamme".

Wunderschöne und aussagekräftige Texte befanden sich auf der letzten LP. In "Schön wär' es doch" (Text: Carlo Karges; Musik: Rolf Brendel) hieß es u.a.: "...für eine Welt ohne Krieg fehlen uns leider die Waffen, für eine Welt ohne Angst fehlt uns leider der Mut..." Oder an anderer Stelle in dem Song "Ring frei": "Vor'm Fundbüro für verlorene Träume stehen viele Menschen und warten Tag und Nacht. Doch das Fundbüro für verlorene Träume hat seine Tür noch niemals aufgemacht..." "Eisbrecher" war das erste Album der Band, welches nicht mehr von Reinhold Heil produziert wurde, sondern von Klaus Voormann. 1987 veröffentlichte man dann noch eine zweite Auskopplung mit "Engel der Nacht". Die sehr rockige und temporeiche Maxi-Single sei jedem empfohlen. Doch die Fans, die noch begeistert zu "99 Luftballons" und "Irgendwie, Irgendwo, Irgendwann" getanzt und gesungen hatten, kehrten nicht zu ihrem einstigen Idol zurück. Es war an der Zeit Abschied zu nehmen. Die Band löste sich auf und hinterließ vier, sowohl musikalisch als auch textlich hervorragende reguläre (ohne Best Of- und englischsprachig) Alben.

"Wunder gescheh'n - wir dürfen nicht nur an das glauben, was wir seh'n". Ein wichtiger Satz. Denn nichts ist bekanntlich so wie es scheint. Das traf auch auf den einstigen Super-Star NENA zu. 1989 meldete sie sich mit ihrem ersten Solo-Album ("Wunder gescheh'n", Epic) wieder sehr erfolgreich zurück. Es war eben noch nicht vorbei. Mit der Karriere. Auf dieser LP verarbeitete die Sängerin den Tod ihres ersten Kindes Christopher, der behindert zur Welt gekommen war. NENA gab diesem Kind all ihre Liebe und ging mit ihm gemeinsam den Weg seines kurzen Lebens. In regelmäßigen Abständen veröffentlichte NENA Album um Album. Erfand sich immer wieder neu. Kurze Haare, lange Haare, blond, braun, schwarz. Durchaus auch von Pop-Ikonen wie Madonna und Kylie Minogue inspiriert. Musikalisch versuchte sie sich immer wieder in unterschiedlichen Stilen, denen sie aber mit ihrer unverwechselbaren Stimme das typische "NENA-Gewand" gab. Spiritualität wurde für die Künstlerin ein immer wichtigeres Thema. Auch in der Öffentlichkeit sprach sie offen über ihre Ansichten und Lebenseinstellung und stieß damit nicht immer auf Verständnis.

2002 gelang der Sängerin ein phänomenales "Comeback". Mit "Nena feat. Nena" stürmte sie die Charts wie zu Zeiten der NDW. Die alten Songs neu aufgenommen. Teilweise mit Künstlern wie Udo Lindenberg, Kim Wilde u.a. eingesungen. Spätestens seit diesem Album ist NENA wieder konstant in den obersten Chartpositionen vertreten. "...Ihr kennt mich vielleicht noch von ein paar Klassikern aus den Achtzigern...", lautet eine Zeile aus dem aktuellen Album von 2015 "Oldschool", an dem u.a. auch Samy DeLuxe erheblich beteiligt war. Ja, so kann man es in etwa beschreiben. Ein "paar" NENA-Klassiker kennt wohl jeder. Oder um mit einem weiteren Zitat aus "Oldschool" zu antworten: "...und so singen wir die ganze Nacht unsere Lieblingslieder, Lieder von früher..." Und von heute! NENA hat es geschafft mehrere Generationen mit ihrer Musik zu verbinden. Das ist das, was letztendlich zählt. Die Verbindung von Menschen untereinander.

Am 16. Oktober 2014 erschien im Aufbau-Verlag das Buch vom einstigen Schlagzeuger der Band und langjährigem Freund von NENA. Rolf Brendel: "NENA - Geschichte einer Band". Sehr ehrlich, aus seiner ganz persönlichen Sicht und Erinnerung heraus erzählt und aufgeschrieben. Ein sehr interessantes Interview mit Rolf Brendel finden Sie auch unter: http://www.dalila-light.de/must-have/rolf-brendel-klar-waren-wir-zeitgeist/

Hinweis
Viele interessante Artikel gibt es auch auf der Homepage von Daniela Herbig unter: http://www.dalila-light.de

Musik von Nena bei Amazon:
http://www.amazon.de/gp/search?=UTF8&keywords=Nena

Text: Daniela Herbig
Fotos: Audioarchiv RADIO fresh80s
Titelbild: ©Kristian Schuller



COSA ROSA: „Singen, tanzen, spielen, eine Liebe…“

Am 03.05.1952 erblickte eine gewisse Rosemarie Precht das Licht der Welt. 31 Jahre später lief ein Titel in sämtlichen Radio-Stationen rauf und runter. "Rosa auf Hawaii". Text hatte dieser Song, außer "...dadadiaodijei..." nicht (viel), aber eine tolle und eingängige Melodie. Der Song blieb im Ohr und machte neugierig auf die Stimme, die das sang. Wer war'n das? Die Öffentlichkeit wurde aufmerksam auf ein Projekt namens "COSA ROSA". Die Single "Rosa auf Hawaii" etablierte "COSA ROSA". Jetzt hatte man zwar einen Namen, jedoch wußte man immer noch nicht genau: Wer war'n das? "COSA ROSA" war das gemeinsame Projekt von Spliff-Keyboarder und Nena-Produzent Reinhold Heil und besagter Rosemarie Precht.

Rosa war ursprünglich studierte Architektin und widmete sich aber nebenbei immer ihrer Leidenschaft, der Musik. Als "Rosa auf Hawaii" mit dem dazugehörigen Album "Traumstation" (CBS) 1983 für durchweg gute Kritiken bei den Musik-Redakteuren sorgte, war die blonde, gutaussehende 31-jährige Sängerin jedoch schon längst keine Unbekannte mehr in der Musik-Szene.

Etwas früher: In der Frauen-Band "Insisters" bediente sie die Tasteninstrumente. Das Album "Moderne Zeiten" wurde veröffentlicht. Die Musik, die "Insisters" machte, war aber nicht das, was Rosa jeden Tag hören oder selber machen würde. 1981 steigt sie aus der Gruppe aus, um in der Band von keiner geringeren als "Ulla Meinecke" mitzuspielen. Sie geht mit ihr zusammen auf Tour. 1982 fängt die Musikerin an selbst zu komponieren. Reinhold Heil, seit 1976 der Lebensgefährte von Rosa, hörte das Material und beschloß ein gemeinsames Projekt zu starten. In einem Interview mit "Deutsche Mugge" erzählte er 2006: "Ich hatte mich wirklich lange genug dagegen gewehrt, meine Freundin (die Architektin und Hobbymusikerin) als Kollegin zu akzeptieren. Aber das waren einfach zu erdrückende Beweise für ihr überbordendes Talent."

Das erste Album "Traumstation" (welches nur mit Synthesizern und Rhythmusmaschinen aufgenommen wurde; Ausnahme das Saxophon bei "Die Frau ist'n Kerl") war ein Sammelsurium von Songs, die Reinhold Heil geschrieben hatte, bei "Spliff" aber übriggeblieben waren, weil sie nicht in das Bandkonzept paßten und Rosa's eigenen Sachen. Und genauso klingt das Ergebnis auch. Irgendetwas wirkt nicht stimmig, und trotzdem hat dieses Werk seinen ganz eigenen Reiz. "Her mit dem Kindergeld" erzählt eine sehr fantasiereiche Geschichte, wozu man Kindergeld auch sonst noch verwenden könnte. "...ich will die U-Bahn kaufen, das wäre schön - nen Bahnhof aus Kristall, ihr werdet schon seh'n..." Bei "Na komm' schon" heißt es im Refrain: "...na komm' schon - wer nichts riskiert, verblödet garantiert...wer nichts riskiert wird seh'n, was er dabei verliert..." Textlich und musikalisch zeichnete sich bei "Traumstation" schnell ab, daß man sich auf eine weitere wunderbare Entwicklung bei "COSA ROSA" freuen durfte. So viel Potential, versammelt auf einem Album.

Die ausgekoppelte Single "Rosa auf Hawaii" wurde extra für die Radio-Sender bearbeitet und ist nicht identisch mit der Album-Version. Insgesamt gab es zwei Auskoppelungen aus "Traumstation". "Im freien Fall" war die allererste Single von "COSA ROSA" überhaupt. Da Rosa neben ihrem eigenen Projekt auch bei Ulla Meinecke in der Band spielte, ergab es sich, daß sie auch dort den ein oder anderen Song beisteuerte. "Süsse Sünden" erschien 1983 auf dem Meinecke-Album "Wenn schon nicht für immer, dann wenigstens für ewig".

"Formel Eins" (1983-1990) war in den Achtzigern die angesagteste und schlichtweg einzige Musik-Sendung, in der Musik-Videos aus den aktuellen Charts bundesweit gespielt wurden. Es wurde immer wichtiger nicht nur im Radio gespielt zu werden, sondern auch eine visuelle Umsetzung der entsprechenden Singles zu präsentieren. "COSA ROSA" drehten zusammen mit Michael Bentele (seinerzeit "Formel Eins - Regisseur") in München einen Clip zu "Rosa auf Hawaii". Als Special Guest war Eisi Gulp mit am Start. Auch zu "Her mit dem Kindergeld" wurde ein Video produziert. Die Rakete "COSA ROSA" war gezündet. Rakete? Ein gewisser Jim Rakete (eigentlich Günther Rakete) hatte in der Zeit von 1977 bis 1987 in einer Kreuzberger Fabriketage eine Fotoagentur mit dem schlichten Namen "Fabrik". Segitzdamm 2 in 1000 Berlin 61. Diese Adresse konnte man auf vielen Back-Covern in den achtziger Jahren lesen. Eigentlich arbeitete er als Fotograf und Fotojournalist, betreute aber Ende der Siebziger bis Ende der Achtziger viele Künstler als Manager und/oder Fotograf. Darunter befanden sich u.a. Nena, Die Ärzte, Spliff und auch COSA ROSA.

1984 veröffentlichte "COSA ROSA" die Single "Gefühle". Diese war sozusagen das Bindeglied bis zum nächsten erscheinenden Album. "Musik-Express Sounds" schrieb: "..."COSA ROSA" auf der Suche nach Gefühlen..." Im Juli 1985 erzählte Rosa Andreas Hub im "Fachblatt Musikmagazin": "Man hat mir ja vorgeworfen, ich würde von mir selbst nichts preisgeben. Bei diesem Lied dachte ich dann, da habe ich mich offengelegt bis auf's Hemd. Für mich war das ein Schritt in die totale Offenheit und das wollte ich auch beibehalten..." "Gefühle, die sind so schön und die tun so weh, sie kommen und sie gehen - geschmolzener Schnee..." oder "Gefühle hinter einer Haut aus Pergament, die lass' ich raus im falschen Moment..."

Rosemarie Precht war nicht nur eine virtuose Keyboardspielerin, sondern auch eine ausgezeichnete Texterin und Sängerin. Ihre Songs hatten etwas "sphärisches", ein bißchen wie aus einer anderen Welt. Sie waren weder versponnen noch weit hergeholt. Sie waren einfach anders. Dazu ihre glockenhelle und klare Stimme. Rosa selbst sah sich als Sängerin in den tieferen Tonlagen zuhause. Die mittleren empfand sie eher als schwierig, weil ihre Stimme da einen Bruch hatte, wie sie im Interview mit "Fachblatt Musikmagazin" erzählte. Ebenfalls 1984 konnte man ihren Namen auf der LP von Alan Woerner, der mit dem Ton Steine Scherben-Klassiker "Lass' uns 'n Wunder sein" 1985 seinen größten kommerziellen Erfolg hatte, lesen. Das Album enthielt neun Songs und Rosa war als Gast-Sängerin bei insgesamt drei Titeln mit dabei. Auf dem Album mit dem passenden Namen "...bis irgendwas passiert" (CBS), gab es auch ein Lied, welches sich "Rosa" nannte. Früher habe ich doch glatt gedacht, daß Alan Woerner diesen Song über sie, also Rosa, geschrieben hat. Da war ich 13.

Mitten in der Arbeit für das kommende Album "Kein Zufall" erkrankte Rosemarie schwer. Eine "COSA ROSA-Tournee" hatte es deshalb nie gegeben. Öffentlich wollte sie das damals nie machen, deshalb sei es auch an dieser Stelle nur kurz erwähnt. Die Single "In meinen Armen" erschien und war die erste von insgesamt vier Auskoppelungen aus "Kein Zufall". Auch die "Brücken-Single" "Gefühle" befand sich auf der neuen LP. Single und Album-Version sind hier ebenfalls nicht ganz identisch, da die Single-Ausgabe insgesamt ein wenig länger ist. Am Ende wird der Refrain zweimal, statt wie in der Album-Version nur einmal gesungen.

"In meinen Armen" entwickelte sich zum Radio-Liebling und Rosa trat damit u.a. in der ZDF-Hitparade auf, die zu der Zeit bereits von Viktor Worms moderiert wurde. Sie saß am Klavier und sang live zum restlichen Playback. Ihre Mimik und Präsenz zeigten auch hier deutlich, daß sie das Zeug zu einem Star hatte. Auch, wenn die alleinige Aufmerksamkeit, die ihr auf der Bühne im Projekt "COSA ROSA" zuteil wurde, fast schon ein bißchen zu viel war. "Kein Zufall" schaffte es bis auf einen ansehnlichen Platz 40 und konnte sich acht Wochen in den Charts halten. Das Album beinhaltet unheimlich viele kleine und größere musikalische Leckerbissen und ist mit einer Vielschichtigkeit in Gesang,Text und technischen Raffinessen ausgestattet, daß es eine Freude ist, die Platte auch ein zehntes Mal hintereinander zu hören, ohne genervt den ein oder anderen Titel zwecks Überhörung zu überspringen. Mit Curt Cress (Schlagzeug) und Peter Weihe (Gitarre) hatte man zusätzlich zwei sehr erfahrene und hochkarätige Musiker engagiert. Rosa selbst beweist auf diesem Album ihre hervorragenden gesanglichen Qualitäten.

In die ZDF-Hitparade schaffte es Rosa insgesamt zweimal. Mit "Millionenmal" erreichte sie ihren größten Erfolg und war mit diesem Titel natürlich auch in der "Hitparade" zu Gast, wo auch ich ihr kurz vor der Generalprobe begegnen durfte. Der Song katapultierte sich in die Top Ten der Verkaufs-Charts. Ein Radio-Dauerbrenner ist er bis heute. "Millionenmal" ist DAS "COSA ROSA"-Lied, mit dem fast jeder Rosa identifiziert. "...ich spucke in die Luft und warte was passiert...manche mögen Männer mit Millionen - manche mögen Männer mit Moral..." Die nächste Single hieß "Riesenrad" und war musikalisch komplett neu bearbeitet und hatte nichts mehr mit der Album-Version zu tun. Schneller, radiotauglicher.

"Millionenmal" und "Riesenrad" waren zusätzlich zu den Single-Varianten auch als Maxi-Single" erschienen. Die B-Seite von "Millionenmal" enthielt einen wunderbaren Titel mit dem Namen "Morgenluft". Kein Text, sondern wie bei "Rosa auf Hawaii" erklingt Rosa's Stimme engelsgleich zur Musik. Dieses Lied versprüht so viel gute Laune und Lebensfreude, daß man es immer anhören sollte, bevor man sich die Nachrichten ansieht.

Auch das DDR-Label AMIGA veröffentlichte als "AMIGA Quartett" "COSA ROSA" und hatte dafür "In meinen Armen", "Millionenmal", "Gefühle" und "Trübe Tassen" ausgewählt. 1985 war ein sehr erfolgreiches Jahr für Rosa. Für Nena, mit der die Medien Rosa gerne verglichen, ging es in diesem Jahr nach drei Jahren auf der Erfolgs-Überholspur langsam bergab. Der Longplayer "Feuer & Flamme" verkaufte sich zum damaligen Zeitpunkt noch rund 255.000 mal, was aber immerhin noch "Gold-Status" bedeutete. (Zu der Zeit gab es für 250.000 verkaufte Exemplare "Gold" und für 500.000 "Platin"). Rosa sang neben Nena die "Backing Vocals" für den Song "Utopia". Carlo Carges, der mit "99 Luftballons" den Nena-Hit schlechthin geschrieben hatte, äußerte sich im 1984er Buch "Nena: Songs & Photos" folgendermaßen zu seinen weiteren zwei Träumen, die er zu diesem Zeitpunkt verfolgen wollte: "...mit COSA's ROSA eine Band "Short People" zu gründen und Keith Richards unter den Tisch zu trinken..."

Nur ein Jahr später, 1986, sollte das dritte und letzte Album der begabten Musikerin erscheinen. Als Vorab-Single wählte man einen wunderbaren Pop-Song. "Puppe kaputt". "...die Automatik defekt, das Gewissen versagt, ab heute geht's nur noch ab und nicht zu knapp. Vom eigenen Gelächter aus dem Schlaf gerissen, stehst du auf und hast im Glashaus mit Steinen geschmissen..." "Puppe kaputt" schaffte es in die Top 100. Das folgende Album mit dem schlichten Titel "COSA ROSA" war voller melodischer musikalischer Klangbilder und wunderschöner Geschichten, die Rosa mit ihrer gefühlvollen Stimme prägte. Mit "Was ich will" wurde noch eine weitere Single ausgekoppelt. Es sollte die letzte Veröffentlichung von ihr bleiben.

Wenn man die Musik von "COSA ROSA" mit dem Begriff "sphärisch" bezeichnen möchte, dann war dieses Album ganz "besonders sphärisch". Es enthält wunderbare Textzeilen, die für sich allein genommen fast so etwas wie ein Statement sein können: "...der Unsinn des Lebens treibt uns an den Rand..." heißt es in "Hart am Rand" oder "...wir Menschen sind mutig, haben keine Angst vor uns selbst - gut gelaunt ins Verderben..." in "Morgens um Vier".

Das Textmaterial von "COSA ROSA" ist voller Leben, Träumereien und kleineren und größeren Gefühlen. Kein Einheitsbrei. Sensibilität und ein Gespür für's Erzählen bewies Rosemarie Precht in ihren Songs. Gesungen von einer unverwechselbaren Stimme, die es schaffte gefühlvoll und kraftvoll gleichermaßen zu klingen, wenn die Songs es verlangten.

1987 wurde es immer stiller um die damals 34jährige Sängerin. Ende der Achtziger hieß es dann in der Presse, daß es ihr gesundheitlich sehr schlecht ginge. "...ich muß jetzt geh'n, damit ich wiederkommen kann", sang sie in "Oase". Am 31. Januar 1991 starb sie an Magenkrebs. Rosemarie Precht wurde im niedersächsischen Walsrode OT Benzen beigesetzt. Geblieben ist die Musik einer außergewöhnlichen Künstlerin, die ein besonderes Gespür für poetisch-lyrische Texte hatte, gepaart mit einer unverwechselbaren gefühlvollen und gleichzeitig kraftvollen Stimme. "...singen, tanzen, spielen, eine Liebe..."

Hinweis
Viele interessante Fotos und Videos zu Cosa Rosa gibt es begleitend zu diesem Artikel auf der Homepage von Daniela Herbig unter: http://www.dalila-light.de/must-have/cosa-rosa-fotos-videos/

Musik von Cosa Rosa bei Amazon:
http://www.amazon.de/gp/search?=UTF8&keywords=Cosa%20Rosa

Text: Daniela Herbig
Fotos: Audioarchiv RADIO fresh80s
Titelfoto: Mit freundlicher Genehmigung von ©Jim Rakete